Geht nicht gibt's nicht

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Donnerstag, 16. August 2012

Startup Cashflow Simulation mit LTspice



Diesmal habe ich mit der Cashflow-Simulation eines Startup-Unternehmens ein eher ungewöhnliches Beispiel für eine Spice-Simulation gewählt. In einem früheren Beispiel einer Heizungssimulation hatte ich bereits gezeigt, dass man mit dem Schaltungssimulator LTspice wesentlich mehr simulieren kann als nur elektronische Schaltungen. Dabei ermöglichen Analogien, zeitliche Abläufe jeglicher Art als elektrische Schaltung zu modellieren und somit für den Schaltungssimulator simulierbar zu machen.  LTspice hat bei dieser Art von Simulation z.B. gegenüber Excel den Vorteil, dass sich die Modellierung der zeitlichen Abläufe sehr einfach und übersichtlich umsetzen lässt. Die meisten in diesem Beispiel auftretenden Funktionen sind Wachstumsfunktionen, die sich in Spice über RC-Filter modellieren lassen.

Konstruiertes Beispiel

Ich habe ein typisches, kleines Startup-Unternehmens aus dem Technologiesektor ausgewählt. Die beiden Hauptakteure haben gerade erfolgreich ihre Promotion beendet, die beiden Partner der Akteure bringen fundierte BWL- und Marketingkenntnisse ein, damit steht ein solider Kern für ein Unternehmen zur Verfügung. Die Promotionsthemen kamen so gut an, dass erste Interessenten bereit sind, Venture Kapital zu investieren. Nach einer umfangreichen Analalyse entstand das Grundkonzept für das Unternehmen. Drei zusätzliche erfahrene Experten wurden identifiziert, um das Startup-Team zu komplettieren. Nun möchte der Investor davon überzeugt werden, dass das junge Unternehmen sich gesund entwickelt und die ersten drei Jahre übersteht. Die Fragen nach dem Break-Even-Punkt und dem optimalen Szenario für die Unternehmenserweiterung sind zu beantworten.


Die Story ist zwar recht konstruiert, aber eigentlich möchte ich hiermit nur zeigen, dass man auch wirtschaftliche Problemstellungen mit einem Spice-Simulator bearbeiten kann.

Modellierung

Für die Simulation verwende ich ein erfahrungsbasiertes Modell des Startup-Unternehmens, dass neben einer Reihe finanzieller Parameter die Rolle der Mitarbeitererfahrung für die Umsatzbildung berücksichtigt.

Zunächst werden einige generelle Bedingungen festgelegt:
  • Eine Simulatorsekunde entspricht einem Jahr in der Simulation. Diese Skalierung ist für die Modellierung zeitabhängiger Vorgänge erforderlich.
  • 1 Mitarbeiter entspricht einem Volt
  • 1 MioEuro entspricht einem Volt
Da der Spice-Simulatior nur die Einheiten Volt und Ampere darstellen kann, muss hier eine entsprechende Zuordnung gewählt werden. Der einzige Schönheitsfehler dieser Simulation bleibt, dass die Achsen mit elektrischen EInheiten bemaßt sind. 

Nun werden noch einige Berechnungsregeln definiert:
  • Die akkumulierten Arbeitskosten sind Integral(Anzahl der Mitarbeiter * Tarif)
  • Die akkumulierten Herstellungskosten (COGS) werden als Integral folgender Komponenten berechnet:
    • Material- und Overheadkosten auf Basis der produktiven Mitarbeiter
    • Arbeitskosten Anzahl der Mitarbeiter * Tarif
  • Die Umsatzerwartung ist proportional zu den produktiven Mitarbeitern und beinhaltet die vorgegebene Marge
  • Die Umsatzerwartung folgt dem Herstellungsaufwand mit einer Zeitkonstante von 6 Monaten
  • Zum Unternehmensstart ist der akkumulierte Umsatz Null
  • Der vereinfachte Cashflow ist die Differenz aus Umsatz und COGS
Das Modell geht hier davon aus, dass abzuliefernde Produkte auf 100% Mitarbeiterproduktivität ausgelegt sind. Solange die Mitarbeiter weniger produktiv sind, müssen sie länger arbeiten, um ein vergleichbares Produkt wie die Konkurrenz herzustellen. Da man sich aber im Wettbewerb befindet, muss man sich an den Marktpreisen orientieren. Das führt dazu, das bei der Berechnung der Herstellungskosten die tatsächlichen Personalkosten berücksichtigt werden, für die anteilige Berechnung von Material- und Overheadkosten dagegen von 100%-produktiven Mitarbeitern ausgegangen wird. Es wird ja nicht unbedingt mehr Material von weniger erfahrenen Mitarbeitern benötigt, auch wenn man darüber nachdenken könnte. Die Marge gibt die Differenz zwischen Verkaufspreis und Herstellungskosten bezogen auf den Verkaufspreis an. Die Integration wird über eine feste Funktion von LTspice durchgeführt und entspricht genau der erforderlichen Akkumulation.

Dann setze ich eine Reihe von Parametern:
  • Mittlerer Jahrestarif pro Mitarbeiter = 100TEuro
  • Anteil der produktiven Mitarbeiter = 90% (der Rest ist z.B. Chef)
  • Der Materialanteil an den Herstellungskosten (COGS) beträgt 20%
  • Der Overhead-Anteil an den Herstellungskosten (COGS) beträgt 5%
  • Die zu realisierende Marge beträgt 40%
Der Jahrestarif ist hier aus Gründen der Anschaulichkeit auf 100TEuro festgelegt, in der Realität liegt er in Technologieunternehmen eher bei 125-145TEuro auf Basis von 1650..1800 Stunden. Dabei beinhaltet der Tarif natürlich nicht nur das ausgezahlte Jahresbrutto,  sondern alle anderen Mitarbeiterkosten wie Miete, Medien, Telekommunikation, Reisen, etc.

Abschließend wird das Mitarbeiter-Erfahrungsmodell definiert
  • Umsatz wird über die Gesamterfahrung aller Mitarbeitern generiert
  • Der Umsatz fällt höher aus, wenn die Mitarbeiter erfahrener sind
  • Neue Mitarbeiter müssen ausgebildet werden, hierfür fällt Aufwand an
  • Wenn Mitarbeiter entlassen werden, fällt Restrukturierungsaufwand an
  • Die Erfahrung der Mitarbeiter steigt exponentiell mit der Zeit
  • Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen, geht dessen Erfahrung dem Unternehmen sofort verloren
  • Einarbeitungs- oder Restrukturierungsaufwand wird von allen Mitarbeitern getragen und reduziert die Produktivität


Die Regeln sind zwar betriebswirtschaftlich nicht 100% korrekt, aber sie erfüllen den Zweck hinreichend. Wesentlich bei diesem Modell ist die Berücksichtigung der Mitarbeitererfahrung für das erwartete Umsatzergebnis – eine typische Situation in Startups. Diese Sicht teilen nicht alle Controller, aber die Erfahrung rechtfertigt diesen Ansatz. Zu häufig fällt die Eigenschaft Mitarbeiter-Know-How bei finanziellen Entscheidungen unter den Tisch, weil hier nur die Parameter Mitarbeiteranzahl und Tarif berücksichtigt werden. Das akkumulierte Know-How der Mitarbeiter  stellt letztlich ein Produktivmittel genau wie eine Produktionsmaschine dar. Die Produktionsmaschine steht mit ihrem Buchwert in den Journalen, akkumuliertes Know-How oder Intellectual Properties tauch hier nur selten auf. Weiterhin wird berücksichtigt, dass ein Mitarbeiter, der die Firma verlässt, sein gesamtes Know-How mitnimmt. Wird ein neuer Mitarbeiter eingestellt, muss dieses Know-How aufwendig aufgebaut werden.

Gerne wird übersehen, dass für Einarbeitung und Restrukturierung Aufwand anfällt. Wird ein Mitarbeiter eingestellt, dann wird er meistens von einem anderen Mitarbeiter betreut. Und während der Mitarbeiter betreut, ist er nicht produktiv. Zum Glück geht diese Phase schnell vorüber. Ähnlich verhält es sich mit Restrukturierungen. Aus einem eingespielten Team wird ein Mitarbeiter entlassen. Das Team muss darauf seine Arbeitsabläufe neu strukturieren, was letztlich einer verteilten Einarbeitung gleichkommt und ebenfalls die Produktivität mindert.

Modellbestandteile

Mitarbeiter Pool

Der Mitarbeiter-Pool wird durch eine PWL-Quelle (Piece-Wise-Linear) dargestellt. Vor dem Unternehmensstart hat das Unternehmen 0 Mitarbeiter, mit dem Unternehmensstart sind es 7. Nach Erreichen des Break-Even-Punktes wird das Unternehmen um zwei Mitarbeiter auf 9 erweitert. Die PWL-Quelle lässt sich einfach ändern, es werden jeweils Datenpunkt im Format Zeitpunkt/Mitarbeiterzahl erwartet. Man muss berücksichtigen, dass die Änderung der Mitarbeiterzahl sich nicht abrupt ändert, sondern z.B. von einem Tag auf den nächsten Tag. Deshalb werden insgesamt zwei Datenpunkte erforderlich: Ein Datum für den vorausgehenden Tag mit der alten Mitarbeiterzahl und ein Datum für den aktuellen Tag mit der neuen Mitarbeiterzahl. Würde man den ersten Datenpunkt mit der alten Mitarbeiterzahl weglassen, würde die PWL-Funktion die Mitarbeiterzahl linear über die Zeit vom alten auf den neuen Wert erhöhen. C1 und R2 bilden ein Differenzierglied (RC-Hochpass), das bei Veränderung der Mitarbeiterzahl ein exponentiell abklingendes Signal erzeugt. Damit werden Einarbeitungs und Restrukturierungszeiten simuliert.

Erfahrungs Modellierung


Die erforderliche Wachstumsfunktion wird hier über ein RC-Filter mit langsamer Lade- und schneller Entladezeitkonstante umgesetzt. Die schnelle Entladung wird durch eine ideale Diode simuliert, für die eine separate Modellbeschreibubg erstellt wurde. Dadurch werden der langsame Erfahrungsaufbau sowie der unmittelbare Erfahrungsverlust gut dargestellt. Die Lernkonstante ist so ausgelegt, dass ein neuer Mitarbeiter nach einem Jahr bereits zu 80% produktiv ist. Der Zugang/Abgang von Know-how wird über die zugrundeliegende e-Funktion richtig berücksichtigt. Verlässt z.B. ein Mitarbeiter die Firma, lernen die verbleibenden Mitarbeiter von ihrem jeweiligen Wissensstand weiter. Da die Ableitung der e-Funktion wieder eine e-Funktion ist,  folgt der differentielle Wissenszuwachs ebenfalls genau der e-Funktion.

Aufwand für Einarbeitung und Restrukturierung

Wie bereits oben erwähnt wird für dir Erkennung von EInarbeitungs- oder Restrukturierungsaufwand ein Differenzierglied (RC-Hochpassfilter) mit nachfolgender Absolutwertbildung verwendet. Hierdurch wird sehr schön modelliert, dass der Aufwand beim Eintritt des Ereignisses am höchsten ist und dann exponentiell abklingt. Die Skalierung ist so gewählt, dass die Belastung für das Unternehmen pro neuem Mitarbeiter bei 50% eines produktiven Mitarbeiters liegt. Das heißt, dass der einarbeitende Mitarbeiter zu Beginn 50% seiner produktiven Zeit für die Einarbeitung aufwendet. Die Zeitkonstante beträgt ca. einen Monat, so dass der Einarbeitungsaufwand nach einem Quartal praktisch auf Null abgesunken ist.

Produktiv Pool


Hier erfolgt die Berechnung der verfügbaren produktiven Mitarbeiter. Als Basis dient hier ein zu 100% erfahrener Mitarbeiter, der folglich zu 100% produktiv ist. Für die Berechnung wird vom Ergebnis der Erfahrungsberechnung der Aufwand für Einarbeitung und Restrukturierung subtrahiert. Anschließend erfolgt eine Skalierung mit einem allgemeinen Produktivitätsfaktor, der z.B. nicht produktive Tätigkeiten wie Mitarbeiterführung, Messen etc beinhaltet.

Finanzielle Auswertung


Die Auswertung der Simulation erfolgt über finanzielle Ergebnisse. Entscheidend ist, wann der Break-Even-Punkt erreicht wird und ab wann man gefahrlos beginnen kann, das Unternehmen zu erweitern. Um einen besseren Überblick über das Gesamtergebnis zu erhalten, verwende ich hier die aufakkumulierten Arbeitskosten, Herstellungskosten und Umsätze. Der vereinfachte Cashflow berücksichtigt nur Umsätze und Herstellungskosten (COGS). Es werden direkt weder Investitionen, Abschreibungen noch Steuern berücksichtigt, um die Anschaulichkeit nicht zu verringern. Es ist aber einfach möglich, das Modell entsprechend zu erweitern bzw. diese Anteile in die Tarifkosten oder in die Overheadkosten aufzunehmen. Für die Zuordnung zu den Herstellungskosten gelten aber strenge Richtlinien. So dürfen z.B. Forschungskosten nicht den Herstellungskosten zugeschlagen werden.

Break-Even Indikator


Als Bonus habe ich einen einfachen Break-Even Indikator vorgesehen, der anzeigt, wann der Cashflow in positives Territorium dreht. Aufgebaut ist er mit zwei Komparatoren (mit kleiner Hysterese) und einem RS-Flip-Flop.

Simulationsergebnis

Die Simulation zeigt den Know-How-Aufbau der Mitarbeiter und die daraus resultierende langsame Umsatzentwicklung. Für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr wird Investitionskapital verbrannt, dann erst beginnt das Unternehmen, sich in Richtung des Break-Evens zu bewegen. Nach drei jahren ist der Break.Even-Punkt erreicht. Um das Unternehmen nicht zu früh zu belasten, erfolgt die Unternehmenserweiterung erst nach dem Break-Even. Auf diese Weise wird ein positiver Cashflow sichergestellt. Sehr schön ist auch der Produktivitätseinbruch nach der EInstellung der zwei neuen Mitarbeiter zu sehen. Es dauert ca. ein Jahr, bevor sich die beiden Mitarbeiter deutlich auf den Umsatz auswirken. 

Nachfolgend wird ein anderes Scenario dargestellt, bei dem man zwischenzeitlich auf 12 Mitarbeiter aufstockt, von denen man dann mit den neun aussichtsreichsten weitermacht. Bei diesem Scenario erreicht man z.B. schneller einen höheren Umsatz, was langfristig für das Unternehmen entscheidend ist, zumindest in der Theorie.
 Schön ist hier auch der Produktivitätseinbruch bei der Reduzierung zu sehen. Man hat eine Menge Möglichkeiten, verschiedene Strategien auszutesten. LTspice bietet hier die Möglichkeit des Parametersteppings, wodurch mehrere Szenarien in einem Simulationsdurchlauf überprüft werden können.

Fazit

Mit dem hier vorgestellten Modell kann man sehr gut einen Eindruck gewinnen, wie sich auch wirtschaftliche Prozesse und Abläufe anschaulich mit Spice darstellen lassen können. Eine Stärke des verwendeten Schaltungssimulators LTspice ist bestimmt die einfache Parametrisierbarkeit. Mit etwas Aufwand kann man hier was-wäre-wenn-Szenarien durchspielen und damit die betreffenden Prozesse optimieren oder einfach nur die Abhängigkeiten und Empfindlichkeiten aufzuspüren. Darüberhinaus wird der Einfluss der Mitarbeitereigenschaft „Erfahrung“ analytisch genutzt. Hierdurch kann man u.a. Personalaufbau- und vor allem Personalabbauszenarien untersuchen. Gerade bei Abbauszenarien wird deutlich, dass die Berücksichtigung des Faktors Know-How zu anderen Entscheidungen führt.

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