Geht nicht gibt's nicht

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Montag, 3. September 2012

Grenzen der Gier - Technologieausverkauf


Die Meldungen über den Ausverkauf deutscher Technologie reißen nicht ab. Putzmeister, QCells, Kion. Allerfeinste Technologieadressen. Wenn man das einmal aufmerksam über die letzten Jahre verfolgt, kann einem Angst und bange werden. Und ich weiß, worüber ich schreibe. Bis 2006 war ich gezwungenermaßen selbst in den Transfer von Hochtechnologie nach China verwickelt.

Dahinter steckt System, leider nicht unser System, sondern die von langer Hand angelegte kluge Strategie Chinas. Nach außen hin gibt China sich weltoffen, strebt vor allem in den Technologiesektoren nach Anerkennung. Allerdings wird geschickt auf eine Hauptschwäche der westlichen Systeme gezielt: auf die Gier nach ständig steigenden Profiten. Bei knapper Produktionskapazität und ausreichenden Alleinstellungsmerkmalen kann man schon mal die Profite maximieren. Das funktioniert aber nicht mehr bei einem weltweiten Überangebot an Produktionskapazität. Die steigende Konkurrenz zwingt die westlichen Unternehmen zu Effizienzsteigerungen. Das unerschöpliche Potential an günstig gehaltener Arbeitskraft macht China zum Hauptakteur. In großem Stil wurde in den letzten 15 Jahren in China investiert. Doch die Investments sind trügerisch, da sie auf fremdem Grund und Boden getätigt werden. Hinzukommt, dass es mit Investments alleine nicht getan ist. Es muss Know-How im großen Stil zu den neuen Produktionsstätten tranferiert werden. Eine der Eigenarten von Know-How ist, dass es wider Erwarten nicht leicht zu bewegen ist. Vor allem nicht wieder aus China heraus. Mich hat die hohe Fluktuationsrate des Personals in China misstrauisch gemacht. Inzwischen wird deutlich, dass über die an westlichen Universitäten gut ausgebildete Elite in den letzten 15 Jahren ein starker Führungskader herangewachsen ist, der das westliche System in- und auswendig kennt. Zusammen mit den vom Westen so bereitwillig ausgebildeten chinesischen Facharbeitern entsteht eine gigantische Industriemaschinerie, die kaum noch etwas mit dem früher belächelten Ramsch-Image gemein hat. Zur Verbesserung der Produktqualität wird jetzt mit hohem Sachverstand gezielt Spitzentechnologie in Europa zusammengekauft. Das Erschreckende daran ist, dass Europa damit an einem äußerst empfindlichen Punkt getroffen wird. Nachdem ein großer Teil unserer Industrieproduktion bereits gen Osten verlagert wurde, ist jetzt das Tafelsilber betroffen, nämlich Investitionsgüter wie Produktionsmaschinen und Spezialmaschinen. Kleine und mittelständische Unternehmen, oft mit öffentlichen Fördermitteln aus der Taufe gehoben, werden wie im Falle der auslaufenden Solarförderung plötzlich zum lukrativen Ziel von Investoren. Das interessante Spezial-Know-How und die zugehörigen Patente wechseln den Eigentümer.  Es ist nur eine Frage der Zeit, wann Produkte auf Basis dieses Know-Hows in Form von chinesischen Luxusautos auf Westniveau oderin Form von qualitativ ausgereiften Kurzstreckenjets signifikante Marktanteile übernehmen.Das alles passiert nicht kurzfristig, sondern im Verlaufe einiger Jahre und damit fast unerkennbar. Leider ist es dann zu spät, zu reagieren.

Eine der Ursachen für die derzeitige Situation ist im verschulten Führingsstil der westlichen Unternehmen auszumachen. Nicht mehr die visionären Unternehmerpersönlichkeiten bestimmen in den Führungsetagen sondern Controller, Finanzvorstände und vor allem Investoren. Unter Druck geratene Betriebe versuche, die Gewinne zu retten, indem ohne Augenmaß und ohne Weitblick gespart wird. Reisekosten, Kopierpapier, Kugelschreiber und natürlich zu teure Mitarbeiter. Dazu holt man sich die Spitzengarden unserer Eliteuniversitäten. Zwar verfügt der auserwählte Managementnachwuchs über beste theoretische Voraussetzungen, aber leider mangelt es diesen künftigen Führungskadern an Visionen und vor allem an praktischer Erfahrung und oft dem Blick für das Machbare. In dieser Konstellation gelingt es oft nicht mehr, den erfahrenen Mitarbeitern die Unternehmensziele verständlich zu machen. Dazu kommen die üblichen Managementfehler. Flaggschiffentwicklungen versucht man durch ein Heer von Subkontraktoren rechtzeitig fertigzustellen, wobei die allgemeine Erfahrung lehrt, dass zusätzliche Resourcen ein spätes Projekt nur noch zusätzlich verspäten, zumal es hier nicht um das Verlegen von Eisenbahnschwellen geht. Der A380 ist ein markantes Beispiel für eine solche ins Stocken geratene Flaggschiffentwicklung. Läuft man trotz der späten Resourcenaufstockung dennoch aus dem Plan, werden schnell Schuldige identifiziert und das Personalkarussel dreht sich auf Hochtouren, nicht selten sind Restrukturierungen eine weitere Folge. Die Mitarbeiter verlieren das Vertrauen in die kopflose Führung.

Was den Unternehmen fehlt, ist eine gehörige Portion Realismus. Auch der Mut, falsche Entscheidungen zurückzunehmen zeugt nicht von Schwäche, sondern von Verstand. Planziele lassen sich eben nicht mit der Brechstange erreichen. Gemeinsam mit dem Sachverstand der Belegschaften kann man Veränderungen zum Besseren anstarten. Aber die realistischen Erwartungen sind nicht mit den typischen Hockeystick-Kurven vereinbar. Ein gesundes Verhältnis von Innovation zu Produktentwicklung und Produktion ist erforderlich, um auch in den folgenden Jahren noch bestehen zu können. Nicht selten wird derzeit im Ringen um das EBIT-Ergebnis die Innovation der laufenden Produktion geopfert. Ohne Innovation gibt es keine Selbsterneuerung, vielmehr begibt man sich in einen blutigen Margenkampf, den eigentlich wegen der Produktionsüberkapazität niemand gewinnen kann.Margen werden über das Volumen gesichert, nicht selten geht man mit einigen Highrunner-Produkten ein extrem großes Risiko ein, sollte es einmal zu einem Produktionsausfall kommen. 

Ich wünsche mir wieder etwas mehr Weitsicht und vor allem Vertrauen in das Leistungsvermögen der Unternehmensbelegschaften. Mit motivierten und beherzten Mitarbeitern erreicht man unter Umständen mehr als mit einem Kader von High-Potentials. Zu weit liegt inzwischen das immer noch gepriesenen deutsche Wirtschaftswunder zurück, als dass wir uns erinnern können, was Wiederaufbau bedeutet. Zumindest ist derzeit eine große Anstrengung erforderlich, um den Anschluss an die kommenden starken Industrienationen nicht zu verlieren. Es wäre doch letztendlich bedauerlich, wenn wir wegen einiger kurzlebiger DVD-Spieler, Laptops oder Mobiltelefone unsere bisher so verlässliche Industrie geopfert hätten.

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